Chronik 1939-1945 vom Ehrenbürgermeister Albert Stange
CHRONIK 1939 bis 1945 von Agethorst
Verfasser ist der Ehrenbürgermeister
Albert Stange,
Schulweg 17
25560 Agethorst
Die Zahl dener, die den 2. Weltkrieg miterlebt haben, wird
von Jahr zu Jahr kleiner. Die Generationen, die nach dem
2. Weltkrieg aufwuchsen, wissen vom 2. Weltkrieg wenig.
Die, die um die Ereignisse wissen, wurden nicht gefragt,
und die es wissen, erzählen nicht gerne von dem, was nie
wiederkehren möge. Damit die Ereignisse nicht vergessen
werden, und nur darum, sollen die Ereignisse festgehalten
werden,
AGETHORST; Ein kleines Bauerndort in Holstein im 6. Jahr
des Tausendjährigen Reiches. Die Getreideernte ist
eingebracht und Gespräche werden hauptsächlich über die
kommenden Dreschergebnisse geführt. Um Politik wird sich
wenig gekümmert, obwohl sich im Reich alles um die
allgemeine Wehrpflicht, Umwandlung des freiwilligen
Anbeitsdienstes in den Arbeitsdienst RAD .drehte. Kaum
jemand im Dorf hat damals geahnt, daß die Aufrüstung und
der Aufbau zu einem Kriege führen würde, da der Führer
immer wieder und feierlich seine Friedensliebe beteuerte.
Das Volk glaubte gläubig allen Versprechungen und
tatsächlich gab es immer wieder Erstattungen für
Dürreschüden, Wasserschäden. Zinsverbilligungen, billige
Kıedite und vieles andere mehr. Arbeit gab es für alle.
Fast alle Erwachsenen waren Mitglied in der NSDAP und die
Jugend war Mitgklied der SA oder eines ihrer Gliederungen.
Die Zahlung des Mitgliederbeitrages für die Partei war
wohl in Agethorst der einzige Beitrag für die Partei und
der Dienst in der SA war selbstverständlliche allgemeine
wöchentliche Pflicht.
In Agethorst wurde die tägliche Arbeit an 1. Stelle getan.
Um weltanschauliche Fragen wurde sich nicht oder sehr
wenig gekümmert.
Im Sommer 1938 begann die Propaganda Töne anzuschlagen,
die auch Agethorst aufhorchen Ließen.
Die Tschechenkriese und die Forderung an Polen ließen
erkennen, wohin Hitlers Außenpolitik steuerte. Damit die
staatliche Politik ihre Wirkung nicht verfehlte, wurdern
Unmengen an sogenannten Volksempfängern produziert. Sie
kosteten 63.- Reichsmark. Auch in Agethorst standen diese
Geräte. Gegen Ende August 1939 hatten Spannungen und
Erregungen wohl ihrıen Höhepunkt erreicht. Man bieberte von
Nachrichtendienst zu Nachrichtendienst. Wer selbst kein
Rundfunkgerät haitte, stellte sich beim Nachbarn ein, um
sich über die Lage informieren zu lassen.,
Gegen Ende des Monates August 1939 haben die meisten
Wehnpflichtigen einen Stellungsbefehl bekommen. Die
Ortsgruppenleiter der NSDAP waren überall im Lande
angewiesen worden, diese Stellungsbefehle während der
Nacht, wenn jeder zu Hause war, auszuhändigen. An Schlaf
war in dieser Nacht wohl wenig zu denken
Was würden die Menschen wohl gedacht haben?
Im Rundfunk dröhnte ununterbrochen Marschmusik.
Nachrichten berichteten von Grenzverletzungen
polnischerseits. Jeder war sich wohl über den Eırınst der
Lage im Klaren,
Im Dorf gab es mit der Bekanntmachung der Mobilmachung
manche Verändezungen. Sofort wurden Lebensmittelkarten ausgegeben.
Für Bauern gab es Selbstversorgermarken für
Selbstversorger für Fleisch und Getreide. Für die
Selbstversorger war die Schlachtung eines
Einheitsschweines im Gewicht von 140 KG die Grundlage. Der
zustehende Fleischverbrauch, die Personenzahl und die
Kilogrammenge wurde in eine Beziehung gebracht. Das ergab
die Länge der Verbrauchszeit. Wenn nun des Einheitasschwein
mehr als 140 KG schwer war, dann war eben der
Mehrverbrauch gewährleistet. So war jeder Viehhalter
bestrebt, ein höheres Gewicht als 140 KG zu erzeugen. Es
wurde erzählt, daß im Dorf regelmäßig 200 KG
Einheitsschweine geschlachtet wurden. Es wurde auch
erzählt, daß ein Einheitsschwein so groß war, daß es nicht
mehr durch die Stalltür hinausgetrieben werden konnte. Es
wurde im Stall geschlachtet und mit vereinten Kräften
wurde dann das tote Schwein über das Gatter
hinausgewuchtet, was bei einem lebenden Schwein unmöglich
war. Es war eben Krıiegszeit,
Das Brotgetreide wurde bei dem Müller Röschmann in
Hadengfeld gemahlen und dann dem Bäcker Wiebers zum Backen
übergeben. So bestand auch die Möglichkeit Roggenmehl
gegen Weizenmehl zu tauschen. Eine Kontrolle bestand bei
dieser Letzten Lebensmittelzuteilung nicht.
Zu den Lebensmittelkarten ist noch folgendes Zu berichten:
Zunächst gab es Normal-Lebensmittelkarten. Auf ein Attest
des Hausarztes gab es Lebensmittelkarten für werdende und
stillende Mütter. Auf Bescheinigung des Arbeitgebers gab
es mit Genehmigung des Wirtschaftsamtes Rendsbung
Schwer-und Schwerstarbeiterlebensmittelkarten. Auch gab es
nach dem Melderegister Kinder-und /
Kleinstkinderlebensmittelkarten.
Zehn Tage vor Ablauf der Zuteilungsperiode mußten die
Eingangstisten mit den Unterschriften derı Empfänger aut
den Ausgangskisten saldierti werden. Der Saldobestand mußte
mit den zurückgehenden Lebensmittelkarten übereinstimmen.
So war alles bis ins kleinste geregelt. "Niemand soll
hungern”, hieß damals die allgemein gültige Parole. Das
bedeutete grundsätzlich eine Rationieriung aller
Lebensmittel,
Im Laufe der nächsten Wochen wurden Bekleidung, Baustoffe,
Fahrradbereifung, Futter und Düngemittel und vieles andere
bewirtschaftet. Nachdem der Antragsteller die
Dringlichkeit und Notwendigkeit für die Anschaffung
bewirtschafteter Dinge klargelegt hatte, gab die Gemeinde,
und zwar immer im Einzelfall, sogenannte Bezugsscheine
aus, Diese Bezugsscheine wurden aber immer von der
Gemeinde Agethorst über das Wirtschatftsamt Rendsburg
angefordert.
Die Lebensmittelkarten wurden anfangs durch den
Bünrgermeister Heesch ins Haus gebracht. Später wurden
Lebenasmittelkarten beim Bürgermeister abgeholt. Ohne
Lebensmittelkarten oder Bezugsschein war ein Kauf
rationierter Dinge nicht möglich,.
Auch der Kunstdünger wurde rationiert. Die Zuteilung
richtete sich weniger nach der Größe des Besitzes, als
nach dem Vorkriegsverbrauch. Wer also vor dem Krieg viel
Kunstdünger verbraucht hatte, bekam nun Anspruch auf eine
größere Menge. Ein Rückgang in den Ernterträgen hat sich
in den ersten Krıegsjahren keineswegs gezeigt. Alles
Brotgetreide mußte abgeliefert werden. Das Futterkorn
wurde dem Bauern zum Teil belassen. Die Menge richtete
sich nach dem Viehhbestand. Ein Rückgang in der
Fleischerzeugung machte sich erst gegen Ende 1944, nach
den Bombenangriffen auf Deutschland, bemerkbaı.
Mit Kriegsausbruch wurden auch alle Pferde gemustert. Sie
haben im 2. Weltkrieg, besonders auf allen östlichen
Kriegsschauptätzen, als Zugtiere unerhörtes Leisten
müssen. Alle kriegsfähigen Pferde wurden von Kommissionen
erfaßt und bei Bedarf eingezogen, selbstverständlich gegen
Bezahlung. Nie nahm man einem Bauern alle Pferde, ihm
blieben immer so viele, wie die Bewirtschaftung seines
Hofes erforderte. In Bedarfsfällen sorgte die
Verteilerstelle bei der Kreisbauernschaft dafür, daß
Bauern, denen ein Pferd eingegangen oder eingezogen war,
Ersatz bekamen. Selbstverständlich halfen Nachbarn auch
mit Pferden aus, wenn es sein mußte.
Auch Brennmaterialien waren rationiert. Schon zu Beginn
des Krieges mußten die Gemeinden Listen anlegen, in denen
jeder Bürger eintrug, wieviel Herdfeuerung er für den
kommenden Winter benötigte. Man hielt sich im Dorf an die
herkömmlichen Brennmaterialien = Holz und Torff =, von
denen es in der Gemeinde reichlich gab. Die Restmengen der
Herdfeuerung wurden plichtmäßig durch die Spar-und
Darklehnskasse verteilt.
Mit Ausbruch des Kieges wurde die totale Verdunkelung
angeordnet, um feindlichen Fliegern keine
Orientierungsmöglichkeiten zu geben. Damit diese Anordnung
auch streng durchgeführt wurde, wurden Fliegerwachen
eingeteilt, die die ganze Nacht über den ORT Agethorst
tätig sein sollten. Es sollten für jede Nacht 2 Männer
unterwegs sein. Einer ging die erste und der zweite die
andere Nachthälfte. Wo Fenster nicht ausreichend
verdunkelt waren, machten die Wachen auf den Mangel
aufmerksam. Als gegen Kriegsende die Einflüge feindlicher
Flugzeuge immer häufiger wurden, hatten die Wachen auch
für die Alarmierung der Eirnwohner zu sorgen.
Christian Pries erzählte:
" Ich war wohl der, der am meisten für die Nachtwache in
Agethonzst eingesetzt wurde. Vormitternacht war ich nur
ganz selten mit einem Wachtmann unterwegs. Mein Weg in der
Nachtwache war von der Meierei beginnend nach der Schule,
dann von der Schule nach Reimer Grabbe, dann weiter nach
dem Haus von Heinrich Hauschild, weiter zur Kate
( Kuhkate Wille Struve } und dann zurück zur Meierei.
Niemals hatte ich besondere Vorommnisse zu melden. Wenn
ingendwo Licht war, ging ich hinein, sagte was von der
Verdunkelung. Das Licht wurde gelöscht und dann erzählte
man sich, was schon am frühen Morxgen in der Meienzei
erzählt worden ist. Regelmäßig wurde von den
Gastwirtschaft ” KLOBE ” Gastwirtschaftasgeräusche höhrbar,
ein Zeichen dafiür, daß es trotz Kriegageschehen immer noch
Leute gab, die den Kıieg mit all den Vorkommnissen egal
war. Es waren Wachtmannschaften vom Nord-0stsee-Kanal, die
ihre Fneizeit gern in Agethorst venrbrachten.
Nach etwa dreiviertel Stunden war meine Wache beendet und
ich konnte schlafen bis zum frühen Morgen. Das war mein
Vorteil der Vormitternachtwache.
Wie in allen Zeiten wurden auch in den Kriegsjahren immer
wieder Zählungen und Erhebungen durchgeführt. Die
Viehzählungen wurden vom Bürgermeister persönlich
durchgeführt. Da die Viehzählungen alle Vieharten
umfaßten, war es nicht immer Leicht alles zu erfassen.
Besonders schwierig war es, die Rindviehnaltung genau
anzugeben und so mußte der Bürgermeister mehrfache Besuche
bei den einzelnen Bauern vornehmen. Besonders schwer war
die Erfassung von Rindvieh.
Wo sollte man in den einzelnen Spalten Kälber, Starken und
Milchkühe unterbringen? Eine diesbezügliche Rücksprache
mit dem Ortsbauernführer RAMM ist noch erhalten:
Der Ortsbauernführer empfahl, die gemachten Angaben
sollten sich die Viehalter aufschreiben. Dann wäre eine
spätere Zählung doch leichter. Ob solches Tun im Sinne des
Gesetzgebers war, mag bezweigfelt werden. Es waren damals
ja Kriegszeiten,
Bei einer Viehzählung wurden in den Kriegsjahren in
Agethorst insgesamt 14 Hähne und 90 Legehühner
festgehalten. Dies ist keine besondere Angelegenheit. Daß
aber körbeweise und in den Handtaschen Hühnerzeier nach
Itzehoe als Tauschobjekt geschleppt wurden, ist doch
aufällig. Welche Hühner waren damals so legefreudig? Das
ist bis heute noch ungeklärt.
Während des Krıieges mußten auf Anordnung des
Reichsschutzbundes in geringer Entfernung der Häuser
Splittergräben oder auch überdachte Luftschutzbunker
angelegt werden, die bei drohender Gefahr vorn den
einzelnen Hausbewohnern oder von der ganzen Nachbarschaft
aufgesucht werden sollten. In Agethorst war der sogenannte
Jungfernstieg hierfür besonders güstig gelegen.
Indessen tobte an allen Fronten der Krıieg. Wenn inmitten
anderer Rundfunkprogramme plötzlich Marschmusik erscholl
und dann das Beethoven aus der ”Eroica" entönte, dann
stand stets die Bekanntmachung einer Sondermeldung über
ein wichtiges militärisches oder stadtspolitisches
Ereignis bevor. Nachrichten oder Sondermeldungen bildeten
ohnehin den Hauptgesprächsstoff der Bevölkerung, weil
jeden auf einen baldigen Endsieg hoffte. Im übrigen hing
an fast jedem Rundfunkempfänger ein Zettel mit der
Aufschrift:
Feind hört mit
Dieser Zettel war jedem Rundfunkempfänger zugesandt
worden. Das Abhören feindlicher Sender war bei Strafe
untersagt. Als sich aber nach dem Einsetzen feindlicher
Lugftangriffe auf deutsche Städte Bedenken über den Ausgang
des Krieges bıreit machten, als schlließlich Ausgebombte aus
Kiel Bedenken über den Ausgung des Kıieges verlautbar
wurden, verspührte man trotz aller Deutscher Popaganda
eine gewisse Kriegsmüdigkeit, die allerdings nur selten
offenkundig wurde. Die Stimmung wurde auch nicht besser,
als immer mehr Männer eingezogen wurden und die Zahl der
Gefallenen von Monat zu Monat stieg.
Bald nach dem Polenfeldzug 1939 kamen die ersten
polnischen Fremdarbeiter nach Agethorst und wurden in der
Landwirtschatft eingesetzt. Bereits im Sommer 1944 kamen
dann kriegagefangene Franzosen nach Agethorst und wurden
im Altenteil Bnuhn einquartierit. Mit dem Einsatz der
Ausländer wurde die Landwacht, meist ältere Soldaten,
betraut.
Wie war die Bewachung ?
Mongens und Abends im Quartiern.
Wie war die Verpflegung ?
Mittags bei den Bauern. Sonst Care-pakete in den letzten Kriegsjahren.
Es war nicht gestattet, daß Kriegsgefangene, die bei den
Bauern beschäftigt waren, Mit am Familientisch essen zu
lassen. Da das Verhältnis der Kriegsgefangenen zu den
Agethorstern in der Regel recht gut war, aßen sie zumeist
an einem besonderen Tisch in der Küche. Warum sollten sie
nicht am gleichen Tisch sitzen und essen, wenn sie auch
zusammen anbeiteten?
Auch wurde angeordnet, daß in der Zeit von abends 21.00
Uhr bis 06.00 Uhr morgens Sperrrstunden streng eingehalten
wurde. Während der Sperrstunden durfte keiner auf der
Straße und außerhalb seiner Wohnung sein. Auf Antrag
erhielten die Landwirte aber schon bald Genehmigung vor
06.00 Uhr morgens mit der Arbeit außerhalb ihrer Häusern zu beginnen.
Mitte des Januar 1945 erreichten die ersten
Flüchtlingstrecks aus 0stpreussen unser Dorf. Viele
weitere Trecks sollen folgen. Die Unterbringung dieser
Flüchtinge brachte dem Bürgermeister schon
Schwierigkeiten. Wie viele Schwierigkeiten sollten in den
kommenden Jahren noch folgen?
In den letzten Tagen des Krieges passieriten versprengte
Soldaten von Norden nach Süden und in jede Richtung unser
Dorf und nächtigten in den Kuhställen. Sie zogen am
nächsten Tage weiter und waren für die Milch, die die
erbaten, dankbar.
In den letzten Kriegswochen nahmen duch eine versprengte
Gruppe des Arbeitsdienstes in Agethorst Quantier. Es wird
erzählt, daß ein Führer dieser Guuppe auf der Straße von
Agethonst nach Süden beim Wald von Willi Struve eine
Panzersperre errichten wollte. Aber durch Einwendungen von
Agethorsten Bürgerin nahm man von diesem Vorhaben Abstand,
Was würden die auf dem Vormarsch befindlichen Engländer
wohl gemacht haben, wenn ihnen solche Hindernisse im Wege
standen?
In den letzten Kriegswochen war jeder Verkehr auf
Landstraßen, Schienen und Wasserwegen für den zivilen und
militärischen Verkehr unmöglich geworden. Auf diese Weise
mußten auch die Verbindungen den Soldaten und ihren
Angehörigen daheim und in der Stadt abreißen. Keine Post
ging weg und keine Post kam mehr an. Nachrichten über den
Tod oder das Vermißtsein von Familienangehörigen blieben völlig aus.
Jeder hoffte, Vater, Sohn oder Bruder, möchten
in Gefangenschaft geraten sein, um nach Kriegsende
heimzukehren,
Im Mai-Juni kamen tatsächlich die ersten Agethorster
Soldaten nach Agethorst zurück. Um wie viele Hoffnungen
aber, die Familien daheim und die Soldaten in dern
Gefangenschaft betrogen wurden, wissen wir heute alllzugut,.
In den ersten Kriegsjahren wurden die Familien durch die
Truppenteile vom Tod ihrıer Angehörigen verständigt. Als
aber die Verluste von Monat zu Monat stiegen, schickten
die Tnruppenteile die Gefallenenmeldungen an den jeweiligen
Ortsgruppenkleiter der NSDAP. Er oder ein politischer
Leiter, der der Familie am nächsten stand, übernahm dann
den traurigen Anlaß, dieses der Familie mitzuteilen.
Mit dem Schicksal der 6. Armee bei Stalingırad geriet bei
manchen Leuten der Glaube an den Endsieg ins Wanken. Trotz
Verbotes wagte man hier und dort die Nachrichten
feindlicher Sender abzuhören, um diese mit den Angaben des
Deutschen Nachrichtensenders zu vergleichen. Im übrigen
war das Abhören feindlicher Sender gar nicht so einfach,
weil Deutsche Störsender alle Feindsendungen energisch
übentönten. Jeder aber behielt für sich, was er gehört
hatte, denn das Verbreiten dieser Nachrichten konnte eine
Bestrafung, im schlimmsten Falle sogaı eine Einlieferung
in ein Konzentuiationslager, zur Folge haben. Zu keiner Zeit
ist soviel Mißtrauen gesäht worden, wie in den beiden
Letzten Kriegsjahren. Niemand konnte es wagen, seine
Meinung öftentllich über den Kıieg zum Ausdruck zu bringen,
wenn diese sich nicht mit den Bekanntmachungen des
Propagandaministerium deckte.,
Man müßte in Kriegszeiten erfinderisch sein.
In diesem Punkt waren die Polen damals in Agethorst
Meister. Kartoftelmehl und Schnaps waren bei den Polen
gängige Dinge. Das Sträfliche dieser Maßnahmen wurde nicht
offenbar, aus vertständlichen Gründen. Es waren eben
Kriegszeiten. 1946 waren noch 24 Polen in der Gemeinde.
Im Mai 1945, gleich nach der Besetzung durch die
Engländer, wurden stichweise Hausdurchsuchungen
vorgenommen, vor allem um festzustellen‚ ob alle Dinge,
die Abgabepflichtig waren, wie Watften aller Art,
Fotoapparate und anderes mehr, auch wirklich abgegeben
waren. Was aber vorher ingendwo vergraben war, konnte auch
nicht mehr abgegeben werden.
Der Krıieg war vorzüber, aber es gab kaum ein Aufatmen,
denn jetzt begann die eigentiche Notzeit. Darüber sollte
hier nicht berichtet werden, denn dies war außerhalb der
eigentlichen Kriegszeit,
Unvergessen bleiben die gefallenen und vermißten
Agethorster, die aus Agethorst hinauszogen und nicht
wieder heimkehrten.
Den Bürgermeister einer Ländlichen Gemeinde war damals
fast immer ein Bauer. Der Ehrensold in Agethorst betrug
nach den noch vorhandenen Unterllagen :
1939 300.- RM
1940 300.- RM
1941 375.- RM
1942 450.- RM
1943 450.- RM
1944 450.- RM
1945 750.- RM
jährlich,
Die Kassenführung von 1936-1939 wurde vom Kassenwart für
jähnlich 80.- RM durchgeführt. Eine Barkasse wurde nie
geführt. Alle Kassengeschäfte wurden über ein Konto bei
der Spar-und Danlehnskasse Agethorst durchgeführt.
Die antfallenden achniftlichen Arbeiten waren während der
Kriegsazeit s0 umgfangreich, daß fast alle Bürgermeister in
dem Ländllichen Raum von einer Schreibhilfe erledigt
wurden. Die Schreibarbeiten wurden in Agethorst von Frau
Vogel, Bombenflüchtling aus Kiel, durchgeführt. Für diese
Arbeiten erhielt sie im Haushalt des Bürgermeisters Heesch
Kost und Logie, denn es sind in den. Unterlagen der
Gemeinde keine Zahlungen nachweisbar.
Albent Stange Agethorst, 23.August 1996
( Ehrenbürgermeister)