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Chronik 1939-1945 vom Ehrenbürgermeister Albert Stange

CHRONIK 1939 bis 1945 von Agethorst
Verfasser ist der Ehrenbürgermeister
Albert Stange,
Schulweg 17
25560 Agethorst


Die Zahl dener, die den 2. Weltkrieg miterlebt haben, wird
von Jahr zu Jahr kleiner. Die Generationen, die nach dem
2. Weltkrieg aufwuchsen, wissen vom 2. Weltkrieg wenig.
Die, die um die Ereignisse wissen, wurden nicht gefragt,
und die es wissen, erzählen nicht gerne von dem, was nie
wiederkehren möge. Damit die Ereignisse nicht vergessen
werden, und nur darum, sollen die Ereignisse festgehalten
werden,

 

AGETHORST; Ein kleines Bauerndort in Holstein im 6. Jahr
des Tausendjährigen Reiches. Die Getreideernte ist
eingebracht und Gespräche werden hauptsächlich über die
kommenden Dreschergebnisse geführt. Um Politik wird sich
wenig gekümmert, obwohl sich im Reich alles um die
allgemeine Wehrpflicht, Umwandlung des freiwilligen
Anbeitsdienstes in den Arbeitsdienst RAD .drehte. Kaum
jemand im Dorf hat damals geahnt, daß die Aufrüstung und
der Aufbau zu einem Kriege führen würde, da der Führer
immer wieder und feierlich seine Friedensliebe beteuerte.
Das Volk glaubte gläubig allen Versprechungen und
tatsächlich gab es immer wieder Erstattungen für
Dürreschüden, Wasserschäden. Zinsverbilligungen, billige
Kıedite und vieles andere mehr. Arbeit gab es für alle.
Fast alle Erwachsenen waren Mitglied in der NSDAP und die
Jugend war Mitgklied der SA oder eines ihrer Gliederungen.
Die Zahlung des Mitgliederbeitrages für die Partei war 
wohl in Agethorst der einzige Beitrag für die Partei und
der Dienst in der SA war selbstverständlliche allgemeine
wöchentliche Pflicht.
In Agethorst wurde die tägliche Arbeit an 1. Stelle getan.
Um weltanschauliche Fragen wurde sich nicht oder sehr
wenig gekümmert.
 

Im  Sommer  1938  begann  die  Propaganda  Töne  anzuschlagen, 
die  auch  Agethorst  aufhorchen  Ließen. 
Die  Tschechenkriese  und  die  Forderung  an  Polen  ließen 
erkennen,  wohin  Hitlers  Außenpolitik  steuerte.  Damit  die 
staatliche  Politik  ihre  Wirkung  nicht  verfehlte,  wurdern 
Unmengen  an  sogenannten  Volksempfängern  produziert.  Sie 
kosteten  63.-  Reichsmark.  Auch  in  Agethorst  standen  diese 
Geräte.  Gegen  Ende  August  1939  hatten  Spannungen  und 
Erregungen  wohl  ihrıen  Höhepunkt  erreicht.  Man  bieberte  von 
Nachrichtendienst  zu  Nachrichtendienst.  Wer  selbst  kein 
Rundfunkgerät  haitte,  stellte  sich  beim  Nachbarn  ein,  um 
sich  über  die  Lage  informieren  zu lassen., 
Gegen  Ende  des  Monates  August  1939  haben  die  meisten 
Wehnpflichtigen  einen  Stellungsbefehl  bekommen.  Die 
Ortsgruppenleiter  der  NSDAP  waren  überall  im  Lande 
angewiesen  worden,  diese  Stellungsbefehle  während  der 
Nacht,  wenn  jeder  zu  Hause  war,  auszuhändigen.  An  Schlaf 
war  in  dieser  Nacht  wohl  wenig  zu  denken 
Was  würden  die  Menschen  wohl  gedacht  haben? 
Im  Rundfunk  dröhnte  ununterbrochen  Marschmusik. 
Nachrichten  berichteten  von  Grenzverletzungen 
polnischerseits.  Jeder  war  sich  wohl  über  den  Eırınst  der 
Lage  im  Klaren, 
Im  Dorf  gab  es  mit  der  Bekanntmachung  der  Mobilmachung 
manche  Verändezungen.  Sofort  wurden  Lebensmittelkarten ausgegeben. 

Für  Bauern  gab  es  Selbstversorgermarken  für 
Selbstversorger  für  Fleisch  und  Getreide.  Für  die 
Selbstversorger  war  die  Schlachtung  eines 
Einheitsschweines  im  Gewicht  von  140  KG  die  Grundlage.  Der 
zustehende  Fleischverbrauch,  die  Personenzahl  und  die 
 

Kilogrammenge  wurde  in  eine  Beziehung  gebracht.  Das  ergab 
die  Länge  der  Verbrauchszeit.  Wenn  nun  des  Einheitasschwein 
mehr  als  140  KG  schwer  war,  dann  war  eben  der 
Mehrverbrauch  gewährleistet.  So  war  jeder  Viehhalter 
bestrebt,  ein  höheres  Gewicht  als  140  KG  zu  erzeugen.  Es 
wurde  erzählt,  daß  im  Dorf  regelmäßig  200  KG 
Einheitsschweine  geschlachtet  wurden.  Es  wurde  auch 
erzählt,  daß  ein  Einheitsschwein  so  groß  war,  daß  es  nicht 
mehr  durch  die  Stalltür  hinausgetrieben  werden  konnte.  Es 
wurde  im  Stall  geschlachtet  und  mit  vereinten  Kräften 
wurde  dann  das  tote  Schwein  über  das  Gatter 
hinausgewuchtet,  was  bei  einem  lebenden  Schwein  unmöglich 
war.  Es  war  eben  Krıiegszeit, 
Das  Brotgetreide  wurde  bei  dem  Müller  Röschmann  in 
Hadengfeld  gemahlen  und  dann  dem  Bäcker  Wiebers  zum  Backen 
übergeben.  So  bestand  auch  die  Möglichkeit  Roggenmehl 
gegen  Weizenmehl  zu  tauschen.  Eine  Kontrolle  bestand  bei 
dieser  Letzten  Lebensmittelzuteilung  nicht. 

Zu  den  Lebensmittelkarten  ist  noch  folgendes  Zu  berichten: 
Zunächst  gab  es  Normal-Lebensmittelkarten.  Auf  ein  Attest 
des  Hausarztes  gab  es  Lebensmittelkarten  für  werdende  und 
stillende  Mütter.  Auf  Bescheinigung  des  Arbeitgebers  gab 
es  mit  Genehmigung  des  Wirtschaftsamtes  Rendsbung 
Schwer-und  Schwerstarbeiterlebensmittelkarten.  Auch  gab  es 
nach  dem  Melderegister  Kinder-und  / 
Kleinstkinderlebensmittelkarten. 
Zehn  Tage  vor  Ablauf  der  Zuteilungsperiode  mußten  die 
Eingangstisten  mit  den  Unterschriften  derı  Empfänger  aut 
den  Ausgangskisten  saldierti  werden.  Der  Saldobestand  mußte 
mit  den  zurückgehenden  Lebensmittelkarten  übereinstimmen. 
So  war  alles  bis  ins  kleinste  geregelt.  "Niemand  soll 
hungern”,  hieß  damals  die  allgemein  gültige  Parole.  Das 
bedeutete  grundsätzlich  eine  Rationieriung  aller 
Lebensmittel, 
Im  Laufe  der  nächsten  Wochen  wurden  Bekleidung,  Baustoffe, 
Fahrradbereifung,  Futter  und  Düngemittel  und  vieles  andere 
bewirtschaftet.  Nachdem  der  Antragsteller  die 

Dringlichkeit  und  Notwendigkeit  für  die  Anschaffung 
bewirtschafteter  Dinge  klargelegt  hatte,  gab  die  Gemeinde, 
und  zwar  immer  im  Einzelfall,  sogenannte  Bezugsscheine 
aus,  Diese  Bezugsscheine  wurden  aber  immer  von  der 
Gemeinde  Agethorst  über  das  Wirtschatftsamt  Rendsburg 
angefordert. 
Die  Lebensmittelkarten  wurden  anfangs  durch  den 
Bünrgermeister  Heesch  ins  Haus  gebracht.  Später  wurden 
Lebenasmittelkarten  beim  Bürgermeister  abgeholt.  Ohne 
Lebensmittelkarten  oder  Bezugsschein  war  ein  Kauf 
rationierter  Dinge  nicht  möglich,. 
Auch  der  Kunstdünger  wurde  rationiert.  Die  Zuteilung 
richtete  sich  weniger  nach  der  Größe  des  Besitzes,  als
nach  dem  Vorkriegsverbrauch.  Wer  also  vor  dem  Krieg  viel
Kunstdünger  verbraucht  hatte,  bekam  nun  Anspruch  auf  eine 
größere  Menge.  Ein  Rückgang  in  den  Ernterträgen  hat  sich 
in  den  ersten  Krıegsjahren  keineswegs  gezeigt.  Alles 
Brotgetreide  mußte  abgeliefert  werden.  Das  Futterkorn 
wurde  dem  Bauern  zum  Teil  belassen.  Die  Menge  richtete 
sich  nach  dem  Viehhbestand.  Ein  Rückgang  in  der 
Fleischerzeugung  machte  sich  erst  gegen  Ende  1944,  nach 
den  Bombenangriffen  auf  Deutschland,  bemerkbaı. 
Mit  Kriegsausbruch  wurden  auch  alle  Pferde  gemustert.  Sie 
haben  im  2.  Weltkrieg,  besonders  auf  allen  östlichen 
Kriegsschauptätzen, als  Zugtiere  unerhörtes  Leisten 
müssen.  Alle  kriegsfähigen  Pferde  wurden  von  Kommissionen 
erfaßt  und  bei  Bedarf  eingezogen,  selbstverständlich  gegen 
Bezahlung.  Nie  nahm  man  einem  Bauern  alle  Pferde,  ihm 
blieben  immer  so  viele,  wie  die  Bewirtschaftung  seines 
Hofes  erforderte.  In  Bedarfsfällen  sorgte  die 
Verteilerstelle  bei  der  Kreisbauernschaft  dafür,  daß 
Bauern,  denen  ein  Pferd  eingegangen  oder  eingezogen  war, 
Ersatz  bekamen.  Selbstverständlich  halfen  Nachbarn  auch 
mit  Pferden  aus,  wenn  es  sein  mußte. 
Auch  Brennmaterialien  waren  rationiert.  Schon  zu  Beginn 
des  Krieges  mußten  die  Gemeinden  Listen  anlegen,  in  denen 
jeder  Bürger  eintrug,  wieviel Herdfeuerung  er  für  den 
kommenden  Winter  benötigte.  Man  hielt  sich  im  Dorf  an  die 

herkömmlichen  Brennmaterialien  =  Holz  und  Torff  =,  von 
denen  es  in  der  Gemeinde  reichlich  gab.  Die  Restmengen  der 
Herdfeuerung  wurden  plichtmäßig  durch  die  Spar-und 
Darklehnskasse  verteilt. 

Mit  Ausbruch  des  Kieges  wurde  die  totale  Verdunkelung 
angeordnet,  um  feindlichen  Fliegern  keine 
Orientierungsmöglichkeiten  zu  geben.  Damit  diese  Anordnung 
auch  streng  durchgeführt  wurde,  wurden  Fliegerwachen 
eingeteilt,  die  die  ganze  Nacht  über  den  ORT  Agethorst 
tätig  sein  sollten.  Es  sollten  für  jede  Nacht  2  Männer 
unterwegs  sein.  Einer  ging  die  erste  und  der  zweite  die 
andere  Nachthälfte.  Wo  Fenster  nicht  ausreichend 
verdunkelt  waren,  machten  die  Wachen  auf  den  Mangel 
aufmerksam.  Als  gegen  Kriegsende  die  Einflüge  feindlicher 
Flugzeuge  immer  häufiger  wurden,  hatten  die  Wachen  auch 
für  die  Alarmierung  der  Eirnwohner  zu  sorgen. 

Christian  Pries  erzählte: 
"  Ich  war  wohl  der,  der  am  meisten  für  die  Nachtwache  in 
Agethonzst  eingesetzt  wurde.  Vormitternacht  war  ich  nur 
ganz  selten  mit  einem  Wachtmann  unterwegs.  Mein  Weg  in  der 
Nachtwache  war  von  der  Meierei  beginnend  nach  der  Schule, 
dann  von  der  Schule  nach  Reimer  Grabbe,  dann  weiter  nach 
dem  Haus  von  Heinrich  Hauschild,  weiter  zur  Kate 
(  Kuhkate  Wille  Struve  }  und  dann  zurück  zur  Meierei. 
Niemals  hatte  ich  besondere  Vorommnisse  zu melden.  Wenn 
ingendwo  Licht  war,  ging  ich  hinein,  sagte  was  von  der 
Verdunkelung.  Das  Licht  wurde  gelöscht  und  dann  erzählte 
man  sich,  was  schon  am  frühen  Morxgen  in  der  Meienzei 
erzählt  worden  ist.  Regelmäßig  wurde  von  den 
Gastwirtschaft  ”  KLOBE  ”  Gastwirtschaftasgeräusche  höhrbar, 
ein  Zeichen  dafiür,  daß  es  trotz  Kriegageschehen  immer  noch 
Leute  gab,  die  den  Kıieg  mit  all  den  Vorkommnissen  egal 
war.  Es  waren  Wachtmannschaften  vom  Nord-0stsee-Kanal,  die 
ihre  Fneizeit  gern  in  Agethorst  venrbrachten. 
Nach  etwa  dreiviertel  Stunden  war  meine  Wache  beendet  und 
ich  konnte  schlafen  bis  zum  frühen  Morgen.  Das  war  mein 
Vorteil  der  Vormitternachtwache.

Wie  in  allen  Zeiten  wurden  auch  in  den  Kriegsjahren  immer 
wieder  Zählungen  und  Erhebungen  durchgeführt.  Die 
Viehzählungen  wurden  vom  Bürgermeister  persönlich 
durchgeführt.  Da  die  Viehzählungen  alle  Vieharten 
umfaßten,  war  es  nicht  immer  Leicht  alles  zu  erfassen. 
Besonders  schwierig  war  es,  die  Rindviehnaltung  genau 
anzugeben  und  so  mußte  der  Bürgermeister  mehrfache  Besuche 
bei  den  einzelnen  Bauern  vornehmen.  Besonders  schwer  war 
die  Erfassung  von  Rindvieh. 
Wo  sollte  man  in  den  einzelnen  Spalten  Kälber,  Starken  und 
Milchkühe  unterbringen?  Eine  diesbezügliche  Rücksprache 
mit  dem  Ortsbauernführer  RAMM  ist  noch  erhalten: 
Der  Ortsbauernführer  empfahl,  die  gemachten  Angaben 
sollten  sich  die  Viehalter  aufschreiben.  Dann  wäre  eine 
spätere  Zählung  doch  leichter.  Ob  solches  Tun  im  Sinne  des 
Gesetzgebers  war,  mag  bezweigfelt  werden.  Es  waren  damals 
ja  Kriegszeiten, 
Bei  einer  Viehzählung  wurden  in  den  Kriegsjahren  in 
Agethorst  insgesamt  14  Hähne  und  90  Legehühner 
festgehalten.  Dies  ist  keine  besondere  Angelegenheit.  Daß 
aber  körbeweise  und  in  den  Handtaschen  Hühnerzeier  nach 
Itzehoe  als  Tauschobjekt  geschleppt  wurden,  ist  doch 
aufällig.  Welche  Hühner  waren  damals  so  legefreudig?  Das 
ist  bis  heute  noch  ungeklärt. 

Während  des  Krıieges  mußten  auf  Anordnung  des 
Reichsschutzbundes  in  geringer  Entfernung  der  Häuser 
Splittergräben  oder  auch  überdachte  Luftschutzbunker 
angelegt  werden,  die  bei  drohender  Gefahr  vorn  den 
einzelnen  Hausbewohnern  oder  von  der  ganzen  Nachbarschaft 
aufgesucht  werden  sollten.  In  Agethorst  war  der  sogenannte 
Jungfernstieg  hierfür  besonders  güstig  gelegen. 

Indessen  tobte  an  allen  Fronten  der  Krıieg.  Wenn  inmitten 
anderer  Rundfunkprogramme  plötzlich  Marschmusik  erscholl 
und  dann  das  Beethoven  aus  der  ”Eroica"  entönte,  dann
 

stand  stets  die  Bekanntmachung  einer  Sondermeldung  über 
ein  wichtiges  militärisches  oder  stadtspolitisches 
Ereignis  bevor.  Nachrichten  oder  Sondermeldungen  bildeten 
ohnehin  den  Hauptgesprächsstoff  der  Bevölkerung,  weil 
jeden  auf  einen  baldigen  Endsieg  hoffte.  Im  übrigen  hing 
an  fast  jedem  Rundfunkempfänger  ein  Zettel  mit  der 
Aufschrift: 
Feind  hört  mit 
Dieser  Zettel  war  jedem  Rundfunkempfänger  zugesandt 
worden.  Das  Abhören  feindlicher  Sender  war  bei  Strafe 
untersagt.  Als  sich  aber  nach  dem  Einsetzen  feindlicher 
Lugftangriffe  auf  deutsche Städte  Bedenken  über  den  Ausgang 
des  Krieges  bıreit  machten,  als  schlließlich  Ausgebombte  aus 
Kiel  Bedenken  über  den  Ausgung  des  Kıieges  verlautbar 
wurden,  verspührte  man  trotz  aller  Deutscher  Popaganda 
eine  gewisse  Kriegsmüdigkeit,  die  allerdings  nur  selten 
offenkundig  wurde.  Die  Stimmung  wurde  auch  nicht  besser, 
als  immer  mehr  Männer  eingezogen  wurden  und  die  Zahl  der 
Gefallenen  von  Monat  zu  Monat  stieg. 

Bald  nach  dem  Polenfeldzug  1939  kamen  die  ersten 
polnischen  Fremdarbeiter  nach  Agethorst  und  wurden  in  der 
Landwirtschatft  eingesetzt.  Bereits  im  Sommer  1944  kamen 
dann  kriegagefangene  Franzosen  nach  Agethorst  und  wurden 
im  Altenteil  Bnuhn  einquartierit.  Mit  dem  Einsatz  der 
Ausländer  wurde  die  Landwacht,  meist  ältere  Soldaten, 
betraut. 
Wie  war  die  Bewachung  ? 
Mongens  und  Abends  im  Quartiern. 
Wie  war  die  Verpflegung  ? 
Mittags  bei  den  Bauern.  Sonst  Care-pakete  in  den  letzten Kriegsjahren.

Es  war  nicht  gestattet,  daß  Kriegsgefangene,  die  bei  den 
Bauern  beschäftigt  waren,  Mit  am  Familientisch  essen  zu 
lassen.  Da  das  Verhältnis  der  Kriegsgefangenen  zu  den 
Agethorstern  in  der  Regel  recht  gut  war,  aßen  sie  zumeist 
an  einem  besonderen  Tisch  in  der  Küche.  Warum  sollten  sie 
nicht  am  gleichen  Tisch  sitzen  und  essen,  wenn  sie auch
zusammen  anbeiteten? 
Auch  wurde  angeordnet,  daß  in  der  Zeit  von  abends  21.00 
Uhr  bis  06.00  Uhr  morgens  Sperrrstunden  streng  eingehalten 
wurde.  Während  der  Sperrstunden  durfte  keiner  auf  der 
Straße  und  außerhalb  seiner  Wohnung  sein.  Auf  Antrag 
erhielten  die  Landwirte  aber  schon  bald  Genehmigung  vor 
06.00  Uhr  morgens  mit  der  Arbeit  außerhalb  ihrer  Häusern  zu beginnen. 

Mitte  des  Januar  1945  erreichten  die  ersten 
Flüchtlingstrecks  aus  0stpreussen  unser  Dorf.  Viele 
weitere  Trecks  sollen  folgen.  Die  Unterbringung  dieser 
Flüchtinge  brachte  dem  Bürgermeister  schon 
Schwierigkeiten.  Wie  viele  Schwierigkeiten  sollten  in  den 
kommenden  Jahren  noch folgen? 
In  den  letzten  Tagen  des  Krieges  passieriten  versprengte 
Soldaten  von  Norden  nach  Süden  und  in  jede  Richtung  unser 
Dorf  und  nächtigten  in  den  Kuhställen.  Sie  zogen  am 
nächsten  Tage  weiter  und  waren  für  die  Milch,  die  die 
erbaten,  dankbar. 
In  den  letzten  Kriegswochen  nahmen  duch  eine  versprengte 
Gruppe  des  Arbeitsdienstes  in  Agethorst  Quantier.  Es  wird 
erzählt,  daß  ein  Führer  dieser  Guuppe  auf  der  Straße  von 
Agethonst  nach  Süden  beim  Wald  von  Willi  Struve  eine 
Panzersperre  errichten  wollte.  Aber  durch  Einwendungen  von 
Agethorsten  Bürgerin  nahm  man  von  diesem  Vorhaben  Abstand, 
Was  würden  die  auf  dem  Vormarsch  befindlichen  Engländer 
wohl  gemacht  haben,  wenn  ihnen  solche  Hindernisse  im  Wege 
standen? 

In  den  letzten  Kriegswochen  war  jeder  Verkehr  auf 
Landstraßen,  Schienen  und  Wasserwegen  für  den  zivilen  und 
militärischen  Verkehr  unmöglich  geworden.  Auf  diese  Weise 
mußten  auch  die  Verbindungen  den  Soldaten  und  ihren 
Angehörigen  daheim  und  in  der  Stadt  abreißen.  Keine  Post 
ging  weg  und  keine  Post  kam  mehr  an.  Nachrichten  über  den 
Tod  oder  das  Vermißtsein  von  Familienangehörigen  blieben völlig  aus.

Jeder  hoffte,  Vater,  Sohn  oder  Bruder,  möchten 
in  Gefangenschaft  geraten  sein,  um  nach  Kriegsende 
heimzukehren, 
Im  Mai-Juni  kamen  tatsächlich  die  ersten  Agethorster 
Soldaten  nach  Agethorst  zurück.  Um  wie  viele  Hoffnungen 
aber,  die  Familien  daheim  und  die  Soldaten  in  dern 
Gefangenschaft  betrogen  wurden,  wissen  wir  heute  alllzugut,. 

In  den  ersten  Kriegsjahren  wurden  die  Familien  durch  die 
Truppenteile  vom  Tod  ihrıer  Angehörigen  verständigt.  Als 
aber  die  Verluste  von  Monat  zu  Monat  stiegen,  schickten 
die  Tnruppenteile  die  Gefallenenmeldungen  an  den  jeweiligen 
Ortsgruppenkleiter  der  NSDAP.  Er  oder  ein  politischer
Leiter,  der  der  Familie  am  nächsten  stand,  übernahm  dann 
den  traurigen  Anlaß,  dieses  der  Familie  mitzuteilen. 

Mit  dem  Schicksal  der  6.  Armee  bei  Stalingırad  geriet  bei 
manchen  Leuten  der  Glaube  an  den  Endsieg  ins  Wanken.  Trotz 
Verbotes  wagte  man  hier  und  dort  die  Nachrichten 
feindlicher  Sender  abzuhören,  um  diese  mit  den  Angaben  des 
Deutschen  Nachrichtensenders  zu  vergleichen.  Im  übrigen 
war  das  Abhören  feindlicher  Sender  gar  nicht  so  einfach, 
weil  Deutsche  Störsender  alle  Feindsendungen  energisch 
übentönten.  Jeder  aber  behielt  für  sich,  was  er  gehört 
hatte,  denn  das  Verbreiten  dieser  Nachrichten  konnte  eine 
Bestrafung,  im  schlimmsten  Falle  sogaı  eine  Einlieferung 
in  ein  Konzentuiationslager, zur  Folge  haben.  Zu  keiner  Zeit 
ist  soviel  Mißtrauen  gesäht  worden,  wie  in  den  beiden 
Letzten  Kriegsjahren.  Niemand  konnte  es  wagen,  seine 
Meinung  öftentllich  über  den  Kıieg  zum  Ausdruck  zu  bringen, 
wenn  diese  sich  nicht  mit  den  Bekanntmachungen  des 
Propagandaministerium  deckte., 
Man  müßte  in  Kriegszeiten  erfinderisch  sein. 
In  diesem  Punkt  waren  die  Polen  damals  in  Agethorst 
Meister.  Kartoftelmehl  und  Schnaps  waren  bei  den  Polen 
gängige  Dinge.  Das  Sträfliche  dieser  Maßnahmen  wurde  nicht 
offenbar,  aus  vertständlichen  Gründen.  Es  waren  eben 
Kriegszeiten.  1946  waren  noch  24  Polen  in  der  Gemeinde. 

Im  Mai  1945,  gleich  nach  der  Besetzung  durch  die 
Engländer,  wurden  stichweise  Hausdurchsuchungen 
vorgenommen,  vor  allem  um  festzustellen‚  ob  alle  Dinge, 
die  Abgabepflichtig  waren,  wie  Watften  aller  Art, 
Fotoapparate  und  anderes  mehr,  auch  wirklich  abgegeben 
waren.  Was  aber  vorher  ingendwo  vergraben  war,  konnte  auch 
nicht  mehr  abgegeben  werden. 

Der  Krıieg  war  vorzüber,  aber  es  gab  kaum  ein  Aufatmen, 
denn  jetzt  begann  die  eigentiche  Notzeit.  Darüber  sollte 
hier  nicht  berichtet  werden,  denn  dies  war  außerhalb  der 
eigentlichen  Kriegszeit, 
Unvergessen  bleiben  die  gefallenen  und  vermißten 
Agethorster,  die  aus  Agethorst  hinauszogen  und  nicht 
wieder  heimkehrten. 

Den  Bürgermeister  einer  Ländlichen  Gemeinde  war  damals 
fast  immer  ein  Bauer.  Der  Ehrensold  in  Agethorst  betrug 
nach  den  noch  vorhandenen  Unterllagen  : 
1939  300.- RM 
1940  300.- RM 
1941  375.- RM 
1942  450.- RM 
1943  450.- RM 
1944  450.- RM 
1945  750.- RM 
jährlich, 

Die  Kassenführung  von  1936-1939  wurde  vom  Kassenwart  für 
jähnlich  80.-  RM  durchgeführt.  Eine  Barkasse  wurde  nie 
geführt.  Alle  Kassengeschäfte  wurden  über  ein  Konto  bei 
der  Spar-und  Danlehnskasse  Agethorst  durchgeführt. 

Die  antfallenden  achniftlichen  Arbeiten  waren  während  der 
Kriegsazeit  s0  umgfangreich,  daß  fast  alle  Bürgermeister  in 
dem  Ländllichen  Raum  von  einer  Schreibhilfe  erledigt 
wurden.  Die  Schreibarbeiten  wurden  in  Agethorst  von  Frau 
Vogel,  Bombenflüchtling  aus  Kiel,  durchgeführt.  Für  diese 
Arbeiten  erhielt  sie  im  Haushalt  des  Bürgermeisters  Heesch 
Kost  und  Logie,  denn  es  sind  in  den.  Unterlagen  der 
Gemeinde  keine  Zahlungen  nachweisbar. 

Albent  Stange  Agethorst,  23.August  1996 
(  Ehrenbürgermeister)

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